Roger Willemsen
Es war einmal oder nicht
Afghanische Kinder und ihre Welt

»Es war einmal oder nicht«: So beginnen in Afghanistan die Märchen. 2012 hat sich Roger Willemsen zum dritten Mal auf den Weg in dieses Land gemacht, in dem seit Jahrzehnten Krieg und Gewalt das Leben der Menschen bestimmen. In diesem Buch, das nichts beschönigt oder verschweigt und trotzdem die Stimmung des Aufbruchs in eine bessere Zeit eingefangen hat, kommen viele afghanische Kinder direkt zu Wort. Auszüge aus Briefen, Aufsätzen, Interviews und Gesprächen, von Kindern gemalte Bilder zeigen Szenen aus ihrem Leben: unmittelbar, unverfälscht, authentisch.

Vom Leben auf den Dächern und der Kultur des Drachensteigenlassens erzählt dieses Buch, von der Macht von Markt und Militär. Aber auch von der Musik, von einem Besuch im Zoo von Kabul, vom Leben der Nomaden, von traditioneller Erziehung, der Scheu der Studentinnen, sich fotografieren zu lassen, von der Unwandelbarkeit der Kultur, den Taliban.
In dem Durchgangsland Afghanistan, das seit jeher vom Handel gelebt hat, ist der Krieg zum Dauerzustand geworden. Hunger und Analphabetismus, Malaria und Minenfelder prägen das Leben der Kinder, wenn sich keine Mutigen finden, die dagegen angehen mit Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe. In den Schulen und Universitäten, die Willemsen besucht hat, ist die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Studenten so ausgeprägt, wie er es sonst noch nirgendwo erlebt hat. Der Grund? Das erlebte Leid, die immer wiederkehrende Frage nach dem Warum. Ein Kind, das den Tod nicht aus nächster Nähe kennt, gibt es in Afghanistan nicht.
Die Bilder der Kinder erzählen mehr, als es Worte vermögen: vom Leben, von der Angst, vom Spielen, von Armut und Tod, von dem Krieg, vom Alltag, vom Leben in der Natur, von den Tieren, von Flucht, vom Exil in Pakistan, aber auch von Träumen, vom Frieden, den sie herbeiwünschen.
Roger Willemsen spricht deutliche Worte über die Beteiligung Deutschlands am Krieg in diesem Land und über den angeblichen Wiederaufbau des Bildungssystems. Er stellt sich den Vorwürfen der Studenten und dem Gespräch im Ältestenrat. »Der Krieg ist ein Geschäft mit vielen Gesichtern.« Dieser Satz, an Willemsen gerichtet, fasst am Ende des Buches die Situation des Landes präzise zusammen.

Warum dieses Buch unter den Essays zu finden ist und nicht bei Reiseberichten oder Zeitgeschehen? Essay, auf Deutsch »Versuch«, offiziell definiert als geistreiche Abhandlung, bezeichnet in meinen Augen neben dem aktuellen Inhalt auch die Neugier und die bescheidene Haltung des Schreibenden. Im Fall von Roger Willemsen ist dies: sein Versuch zu verstehen, zu informieren, zu helfen. Er bleibt bis zum Ende des Buches ein Fragender, einer, der zuhört; nie wird er zum Dozierenden.

Der Erlös aller Verkäufe dieses Buches geht an den Afghanischen Frauenverein e.V., dessen Schirmherr Roger Willemsen war. Der Verein leistet in Afghanistan Hilfe zur Selbsthilfe, fördert Frauen und Kinder und unterstützt Projekte in ländlichen Gebieten. Verschenken Sie dieses Buch, empfehlen Sie es weiter: Roger Willemsens Essay, sein Versuch, mit dem, was er am besten konnte, anderen zu helfen, wird dann mit ganz konkretem Erfolg belohnt.

S. Fischer
Hardcover: 256 Seiten, 144 Farbabbildungen, ca. € 19,99
Taschenbuch: ca. € 9,99
E-Book: ca. € 9,99

 
DAS IST DRIN
Briefe, Interviews, Stimmen aus dem Land
Kinderzeichnungen
Reisebericht von 2012